Interview mit Frank Eismann: „Das Klima im Markt wird insgesamt rauer“
Er ist zweifelsohne einer der schillerndsten Persönlichkeiten der Branche: Frank Eismann hat sich nach wechselvollen Erfahrungen in der Industrie vor sieben Jahren gemeinsam mit acht Gründungsmitgliedern mit der GFC Management- und Beteiligungsgesellschaft mbH selbstständig gemacht. Zugleich ist er Vorstandssprecher und treibende Kraft der winwin Office Network AG.
Seine Botschaft ist klar: Fachhändler, die den Sprung vom reinen Output- ins IT-Geschäft nicht schaffen, werden es zunehmend schwerer haben, sich im Markt zu behaupten. ‚Hybride Händler‘ mit Kompetenzen in den drei Feldern ITSystemhaus, IP-Telefonie und Bürokommunikation, erklärte er im Interview, könnten dagegen sogar von der sich beschleunigenden Digitalisierung profitieren.
Die winwin Office Network hat in den letzten Jahren gegen den Markttrend stets deutlich zugelegt. Wird im Geschäftsjahr 2016 erneut ein zweistelliges Umsatzplus stehen, und – noch wichtiger – sind auch die Erträge stabil geblieben?
Wir sind absolut zufrieden mit den Ergebnissen für 2016 und werden erneut ein deutlich zweistelliges Umsatzplus in der Bilanz stehen haben. Zudem bleibt die Winwin trotz des schwierigen Marktumfeldes weiterhin hochprofitabel. Und wir haben alle Jahresvereinbarungen, die wir mit Herstellern getroffen haben, vollständig erfüllt.
Ihren MFP-Hersteller-‘Fuhrpark‘ haben Sie im letzten Jahr um gleich zwei prominente ‚Neufahrzeuge‘ – HP und Canon – erweitert. Waren Sie mit Utax, Epson, Samsung und Toshiba Tec zu schmal aufgestellt?
Utax war und ist unser strategischer Partner im Output-Geschäft: Die Zusammenarbeit läuft sehr vertrauensvoll, und beide Seiten profitieren davon. Mit der Weiterentwicklung der Gruppe – wir zählen mittlerweile bundesweit 45 Mitgliedsunternehmen – brauchten wir jedoch weitere, starke Herstellerpartner. Die haben wir in HP und Canon gefunden.
Wird HP – nach der Übernahme der Samsung-Druckersparte – endlich lernen, was der Channel braucht, oder werden die Heeresoberen in den USA einmal mehr ‚ihr Ding machen‘…? Wenn ein Unternehmen gerade die Notwendigkeit hat, den Fachhandel für sich zu gewinnen, dann ist das zweifelsohne HP…
Wie gut HP seine Hausaufgaben in Sachen Channel-Vertrieb und Support machen wird, das müssen wir erst noch abwarten. Das ist ja unser Spezialgebiet, unseren Mitgliedern alle Unterstuützung zu geben, die sie für ein erfolgreiches Geschäft benötigen. Fakt ist: Wenn HP in punkto Vertrieb seinen Job gut macht, dann ist der Kessel auf. Und das ist ja nur eine Ebene: HP bietet noch ganz andere Vorteile.
Die da wären?
HP ist eine der Top Brands in der IT-Welt. Der Markt erwartet heute IT-gesteuerte Systeme, da kann dem US-Konzern in der Branche derzeit keiner das Wasser reichen. Es geht ja längst nicht mehr nur um den Kopierer oder Drucker sondern ums Drucken und die Dokumentenprozesse. Da steht nicht mehr die Hardware im Fokus sondern ganz andere Themen wie z. B. die Anbindung, Steuerung oder Sicherheit der Systeme innerhalb einer IT-Infrastruktur: In diesen IT-nahen Anforderungen spielt HP in einer eigenen Liga.
Den Aufbau von IT-Kompetenz haben Sie stets auch für den Fachhandel als überlebenswichtig bezeichnet, Stichwort Hybrid-Vertrieb. Wo stehen die Beteiligungen der GFC Management- und Beteiligungsgesellschaft diesbezüglich?
Mittlerweile erwirtschaften die Unternehmen der GFC bereits zwei Drittel ihrer Umsatzerlöse im IT-Systemhaus-Geschäft und ein Drittel mit Managed Print Services. Das war nicht immer so: Als wir vor sieben Jahren gestartet sind, lag der Anteil des Output-Geschäfts noch deutlich höher. Das geht freilich nicht zum Nulltarif: Alleine in die Qualifizierung der IT-Service-Spezialisten investiert die GFC-Gruppe 250.000 Euro p.a. Dieses Investment lohnt sich aber: Der Hybridansatz ist unser Wachstumsmotor – nicht das Output-Geschäft. Wir kommen bei unseren Kunden primär über die IT und weniger über die Bürotechnik zum Zuge.
Können Sie diesen veränderten Kundenzugang an einem konkreten Beispiel veranschaulichen? Inwiefern ändert sich der Vertriebsprozess, wenn man über die IT anstelle der ‚Papierbeschmutzung‘ kommt?
Wir bieten unseren Kunden an, ihre komplette IT-Infrastruktur für sie zu managen. Es geht nicht nur um eine spezielle Lösung, deshalb spielt auch das Thema DMS/ECM keine Rolle für uns. Das sind jeweils Insellösungen, die den Kunden in eine festgelegte Richtung zwingen. Uns geht es aber um eine gesamtheitliche Lösung, die sämtliche IT-Prozesse einbindet. Der Kunde kann diese komplett am uns auslagern, dafür sind wir die Profis. Sie fragten nach einem konkreten Beispiel: Wir hatten kürzlich einen Kunden bei uns im Haus, der die gesamte IT bei der Ditcon GmbH managen lässt, und sich ein Bild von unserer Qualität und den Ablaufprozessen in unserem Unternehmen machen wollte. Dieser Kunde war sehr angetan, wie professionell die ganzen Prozesse in unserem Rechenzentrum administriert werden. Am Ende des Rundgangs kamen wir noch ins Lager. Als der Kunde dort ein paar MFP sah, die gerade für einen anderen Kunden vorkonfiguriert wurden, stehen sah, sagte er: „Die Drucker und MFP machen wir in Zukunft dann auch über Sie.“ Da ging es zunächst weder um Marke noch um den Preis sondern nur um Vertrauen: Der Kunde fühlte sich mit seiner IT sehr gut bei uns aufgehoben, und so wurde die Zusammenarbeit kurzerhand ums Thema Drucken erweitert.
Gehen wir eine Ebene höher, zur winwin-Gruppe: Diese besteht ja traditionell vor allem aus MFP-Fachhandelshäusern – viele davon vormalige Utax-Händler. Wie zügig schreitet die ‚Hybrid-Transformation‘ dort voran? Sind die Händler finanzstark genug, um sich den kostspieligen Aufbau von IT-Kompetenz überhaupt leisten zu können?
winwin betreibt eine eigene Ausbildungsakademie: Dort spielt der Aufbau von ITKompetenz eine zentrale Rolle. Die Trainings sind für unsere Mitglieder stark subventioniert: Sie zahlen nur die Übernachtungskosten, den Rest übernimmt die winwin. Damit stellen wir sicher, dass auch kleinere, nicht so finanzstarke Händler diese Transformation mitgehen können. Und es gibt hier einige Erfolgsstorys wie das Unternehmen A–Z Bürosysteme GmbH, wie sich klassische Kopierer- Fachhändler Schritt für Schritt in Richtung IT-Systemhaus entwickeln.
Und wenn man den Blick – losgelöst von GFC und winwin – auf den Gesamtmarkt richtet: Erfindet sich der Fachhandel schnell genug neu, wie Sie es in Ihrem letzten Interview in DI – Digital Imaging gefordert haben? Oder gerät er zunehmend unter die Räder der sich beschleunigenden Digitalisierung?
Ich fürchte, das geht leider alles viel zu langsam. Natürlich gibt es viele Beispiele von Fachhändlern, die auf einem guten Weg sind. Aber insgesamt ist leider zu befürchten, dass der Fachhandel tatsächlich immer stärker unter die Räder der Digitalisierung kommt, wie Sie es formuliert haben. Dabei haben die Händler gegenüber der Industrie den großen Vorteil, dass sie viel flexibler agieren und ihr Geschäftsmodell schneller umstellen können. Aber sie müssen es auch wollen…
Apropos Industrie: Rechnen Sie damit, dass das Hauen und Stechen dort angesichts sinkender Druckvolumina noch zunehmen wird? Müssen sich die Händler darauf einstellen, dass ihnen die Direktvertriebsorganisationen ihrer Lieferanten noch stärker in die Parade fahren als bisher schon…?
Ich rechne in der Tat damit, dass das Klima im Drucker- und MFP-Markt insgesamt noch viel rauer wird. Man darf eines nicht vergessen: Die Fabriken sind in der Regel auf mindestens fünf Jahre Produktion ausgelegt. Die Kisten, die da vom Band fallen, müssen raus – egal wie. Das wird in einem schrumpfenden Markt zwangsläufig weiter auf Kosten der Hardware- und (leider) auch der Service-Margen gehen. Der Klickpreis ist und bleibt versaut.
Wie bewerten Sie in diesem Kontext das zuletzt stark gestiegene Interesse der Industrie an der Übernahme von oder Kooperationen mit DMS-/ECM-Anbietern?
Für viele Hersteller ist das Thema DMS/ECM ein wunderbares Alibi, um nach außen einen Schwenk in Richtung IT-Unternehmen zu signalisieren. Ob diese Rechnung aber letztlich aufgeht, wage ich zu bezweifeln: Es fallen in Asien dadurch ja nicht weniger Geräte von Band… Manche Hersteller glauben, durch die Übernahme einer Software-Schmiede würden sie vom Hardware- Hersteller zum IT-Spezialisten. Dem ist aber nicht so.
Themenwechsel. winwin hat das Thema Business-Ink in den letzten Jahren stark forciert. Die von Epson geforderte Wachablöse der Lasertechnologie im Office-Umfeld lässt jedoch nach wie vor auf sich warten. Liegt das vor allem am Channel, der um sein wichtiges Servicegeschäft fürchtet? Wie hoch ist bei Neuinstallationen in der winwin-Gruppe zurzeit der Anteil von Tintengeräten?
Der Technologiewandel von Laser zu Inkjet wird stattfinden, weil die Vorteile so gravierend sind. Das wird langfristig auch der Channel nicht aufhalten können. Allerdings war die Euphorie mancher Hersteller sicher übertrieben. Und es ist kein Selbstläufer: Man braucht eine qualitative Beratung, die auf Aspekte wie den Stromverbrauch, Schadstoffe etc. abzielt, um mit Inkjet-Systemen zu punkten. Den Anteil an Tintengeräten bei Neuinstallationen bei winwin würde ich aktuell mit 15 % beziffern.
Wir sprachen viel über die Notwendigkeit des MFP-Fachhandels, sich IT-Kompetenz aufzubauen. Gibt es auch etwas, das die MFP-Händler den IT-Systemhäusern in Ihren Augen voraushaben?
Viele IT-Systemhäuser sind entweder Kistenschieber mit 4 % Marge oder Ein- Thema-Spezialisten. Die Mehrzahl ist es nicht gewohnt, langfristige Dauerschuldverhältnisse mit ihren Kunden aufzubauen. Das ist sicherlich der große Vorteil des Kopierer-Fachhandels: Man hat meist über Jahre, zum Teil Jahrzehnte gewachsene Kundenbeziehungen und kennt deren Anforderungen aber auch den ‚Schmerz‘ wie niemand sonst. Wenn der Fachhandel dieses Wissen nutzt, um seinen Kunden in Zukunft verstärkt maßgeschneiderte Lösungen anstatt grauer Kisten anzubieten, dann sehe ich darin einen Riesenchance.